Renée Parlar

Es freut mich, dass die Interministerielle AG Gender Mainstreaming/Budgeting (IMAG GMB) der österreichischen Bundesregierung einen Blog zu Gender Budgeting einrichtet. Der Blog bietet eine Plattform für einen unmittelbaren Erfahrungsaustausch der die Vernetzung zwischen den verschiedenen Umsetzungsprozessen fördert und neue Impulse geben kann.

Nach der Entwicklung von Gender Budgeting in Australien 1984 und der Verbreitung durch die UNO insbesondere im Kontext entwicklungspolitischer Zusammenarbeit in den 1990er Jahren ist Gender Budgeting auch in der EU und den Mitgliedsstaaten angekommen. Das Europäische Parlament empfiehlt die Umsetzung und definiert GB als GM auf Haushaltsebene. (Quellen)

Gender Mainstreaming und Gender Budgeting sind zwei sich ergänzende Strategien um das Gleichstellungziel zu erreichen. Dabei ist Gender Budgeting die konsequente Fortsetzung von Gender Mainsteaming auf Finanzebene.
Beide Strategien stellen im Prinzip die gleichen Fragen und erfordern ähnliche Analysen. Gender Budgeting geht einen Schritt weiter als Gender Mainstreaming und verknüpft die Ergebnisse der Analysen mit Finanzen und macht die Verteilung und Wirkung von Finanzmitteln transparent.

Ansätze zur Einführung und Umsetzung von GB finden sich in Deutschland vor allem auf kommunaler Ebene und mit dem Stadtstaat Berlin auch auf Landesebene.
Auf Bundesebene gab das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2005/06 eine Machbarkeitsstudie in Auftrag um zu untersuchen, ob GB sinnvoll in Haushalts- prozesse integriert werden kann. Die Studie zeigte auf, wie Informationen zur Gleichstellung in den Haushaltsplan aufgenommen und in Haushaltsentscheidungen einbezogen werden können. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie wurden auf Bundesebene nicht umgesetzt. Auch sonst verfolgt die Bundesregierung Gender Budgeting bislang nicht.

Insgesamt setzt die deutsche Bundesregierung den grundgesetzlichen Gleichstellungsauftrag nicht proaktiv um und ist in Sachen Gleichstellung kein gutes Vorbild für Länder und Kommunen. Diese Zurückhaltung wird auch immer wieder in den Empfehlungen von CEDAW (Fußnote) moniert.

Nach Berlin, Vorreiterin bei der Umsetzung von Gender Budgeting, hat die Stadt München 2006, im Zusammenhang mit der Verwaltungsmodernisierung, beschlossen Gender Budgeting einzuführen. Unter dem Leitsatz „Tun wir das Richtige für die Richtigen richtig?“ wurden in einer Pilotphase Methoden entwickelt und erprobt. Mit diesen Methoden wird sukzessive die Transparenz über die Verteilung und die Wirkung der Haushaltsmittel verbessert und zielgruppen- und gleichstellungorientierte Steuerungsinformationen gewonnen. Bisher gibt es u.a. Erfahrungen in den Bereichen Radverkehr, Existenzgründung, Fortbildung, städtischen Schulen, gärtnerische Ausbildung, Hilfe zur Erziehung, Bibliotheken und Kulturförderung.

2013 beschloss der Münchner Stadtrat die schrittweise gesamtstädtische Umsetzung. Diese wird in den städtischen Organisationseinheiten unterschiedlich intensiv verfolgt. In einigen Fachreferaten wird der Vorteil, den die zielgruppen- und bedarfsorientierte Arbeit bietet als Chance wahrgenommen, in andere gestaltet sich die Umsetzung schwierig, was zum Teil fachlich begründet, aber auch auf Vorbehalte innerhalb der Verwaltung zurückgeführt werden kann. Knackpunkte bei der Umsetzung sind auch strukturelle Faktoren, insbesondere die Pfadabhängigkeit von Politik und Verwaltung, die mangelnde Gender Kompetenz.

Immer noch wird Gender und der gesellschaftliche Vorteil von Gleichstellung vielfach nicht wahrgenommen und verstanden. Gender beschreibt die Lebenslagen und -situationen von Frauen und Männern, Buben und Mädchen. Gender- und Zielgruppenanalysen sind Grundlage für eine geschlechter- und bedarfsorientierte Steuerung. In der Wirtschaft sind Zielgruppenanalysen längst Standard für die strategische Ausrichtung.

Dabei ist Gender nicht das Ziel, sondern beschreibt vielmehr die Lebensrealitäten von Frauen und Männern. Das Ziel ist und bleibt die Gleichstellung von Frauen unabhängig von ihrer Herkunft, ihren persönlichen und sozialen Umständen und körperlichen Möglichkeiten, die ihnen die gleichen Chancen ermöglicht sollen wie Männern hinsichtlich Lebensgestaltung und ökonomischer Unabhängigkeit bis in Alter.

Gender Budgeting ist deshalb eine notwendige Gleichstellungsstrategie, weil sie Gleichstellung und Finanzen zusammen denkt. Immer noch und immer mehr gilt „Money makes the world go round“.
Wenn tatsächliche Gleichstellung erreicht werden soll, müssen wir wissen wollen, welche Lebensentwürfe und ökonomischen Abhängigkeiten durch den Einsatz von Finanzmitteln gefördert werden und wer von den Mitteln welchen Nutzen hat. Ohne einen gleichstellungsorientierten Einsatz der Finanzmittel und die notwendige Kenntnis der Zielgruppen werden die bestehenden Geschlechterverhältnisse verfestigt.

Politik und Verwaltung müssen Haushalt als Steuerungsinstrument begreifen, über das auch verfassungsrechtliche Querschnittsziele wie Gleichstellung zu verfolgen sind. Die Umsetzung von Gender Budgeting muss Top-Down erfolgen, damit die entsprechenden Beschlüsse zukünftig mehr als Willensbekundungen sind. Unbedingt erforderlich ist die Schaffung institutioneller Strukturen mit einer ausreichenden personellen und finanziellen Ausstattung.

Am 6. und 7. Oktober 2016 richtet die Landeshauptstadt München in Kooperation mit dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Institut für Urbanistik eine Konferenz zu Gender Budgeting aus. Die Konferenz bietet eine Plattform um die methodischen Ansätze und Ergebnisse aus München und anderen Städten vorzustellen und zu diskutieren. Im Rahmen der Konferenz werden neben konkreten Umsetzungsbeispielen zu Gender Budgeting auch gleichstellungspolitische Themen zur Verteilung von Ressourcen, Macht sowie unbezahlter bzw. unterbezahlter Arbeit behandelt.

Renée Parlar ist diplomierte Politologin und seit 2008 Mitarbeiterin der Landeshauptstadt München und dort Projektleiterin des Projekt ‘Gleichstellungsorientierte Haushaltssteuerung’.