Die Frauen- und Gleichstellungsförderung im österreichischen Vergaberechtsreformgesetz 2018

Kauft die öffentliche Hand ein oder lagert sie Leistungen an Dritte aus, so findet das Vergaberecht Anwendung. Dabei steckt im Vergaberecht viel mehr als ein Mittel zur Gewährleistung eines transparenten Wettbewerbs. Mit den Mitteln, die der Staat und andere öffentlich-rechtliche Einrichtungen im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe aufwenden, gestalten sie die Wirtschaft (z.B. Dumping- vs. Qualitätswettbewerb), den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft. Bei einem Anteil von beinahe 20% am BIP reden wir darüber hinaus von keiner unwesentlichen, sondern von einer grundlegenden Gestaltungswirkung.

Die Frauen- und Gleichstellungsförderung ist ein mit dem Wettbewerbsrecht im Einklang stehendes Ziel, welchem sich die öffentliche Hand infolge der ihr zukommenden Verantwortungs- und Steuerungsfunktion annehmen muss. Da sie bei der Auftragsvergabe Gelder aus dem öffentlichen Haushalt einsetzt, greifen auch die verfassungsrechtlichen Staatszielbestimmungen (Artikel 7 Abs. 2 B-VG und Artikel 13 Abs. 3 B-VG) zu Gender Budgeting.

Kürzlich hat Österreich einen neuen Vergaberechtsrahmen erhalten: Am 20. August 2018 wurde das Vergaberechtsreformgesetz 2018 – bestehend aus dem BVergG 2018 und dem BVergGKonz 2018 – im Bundesgesetzblatt kundgemacht (BGBl. I Nr. 65/2018).  Die neue Rechtslage gilt fast vollständig ohne Übergangsfrist ab dem auf die Kundmachung folgenden Tag. Die Frauen- und Gleichstellungsförderung erfährt mit dem neuen österreichischen Vergabe-Rechtsrahmen eine Stärkung.

Wie wird Frauen- und Gleichstellungsförderung im neuen BVergG 2018 berücksichtigt?

In Bezug auf die Frauen- und Gleichstellungsförderung fand eine Fortschreibung des bestehenden Rechtrahmens statt: Die vormaligen Kann-Bestimmungen des § 19 Abs 6 BVergG 2006 (bzw § 187 Abs 6 BVergG 2006 im Sektorenbereich) zur Frauen- und Gleichstellungsförderung, welche die Möglichkeit einräumen, im Vergabeverfahren bei der Leistungsbeschreibung, in den technischen Spezifikationen, durch Zuschlagskriterien oder Ausführungsbedingungen unter anderem auf die Beschäftigung von Frauen oder sonstige sozialpolitische Belange Bedacht zu nehmen, finden sich in unveränderter Weise in den §§ 20 Abs. 6 und 193 Abs. 6 BVergG 2018:

“Im Vergabeverfahren kann auf die Beschäftigung von Frauen, von Personen im Ausbildungsverhältnis, von Langzeitarbeitslosen, von Menschen mit Behinderung und älteren Arbeitnehmern sowie auf Maßnahmen zur Umsetzung sonstiger sozialpolitischer Belange Bedacht genommen werden…)”

Ebenso erfolgte die Fortführung des § 99 Abs 1 Z 13 BVergG 2006 und damit die beispielhafte Nennung frauenpolitischer Belange als mögliche Vertragsbestimmung in § 110 Abs. 1 Z 13 BVergG 2018. Zusätzlich normiert § 93 BVergG 2018 die Einhaltung sozialrechtlicher Bestimmungen, wobei gemäß Erläuterungen hierbei auch über die zwingenden gesetzlichen Vorschriften hinaus auf frauenpolitische Belange Bedacht genommen werden kann.

Neben dem Gesetzestext enthalten auch die Erläuterungen zu §§ 20, 93 und 110 Verweise auf Kriterien zur Förderung von Frauen, Gleichstellung, Genderaspekten oder Chancengleichheit.  Sie unterstreichen damit deutlich, dass es sich bei den zusätzlich eingeräumten Möglichkeiten um Gleichstellungskriterien handeln kann, oder dass Vertragsbestimmungen über gesetzlich zwingende Bestimmungen hinausgehende sozial- oder frauenpolitische Aspekte berücksichtigen können. Die wesentlichen Bestimmungen oder Erläuterungen finden Sie in unserer Übersichtstabelle.

Nicht zuletzt lässt eine teleologische Auslegung den Rückschluss zu, dass die Erläuterungen bzgl. sekundärer Kriterien für den klassischen Bereich auch im Sektoren- und im Konzessionsvergabebereich gelten.

Fazit: Was bedeutet das Vergaberechtsreformgesetz 2018 für die Frauen- und Gleichstellungsförderung?

Die Beachtung von frauen- und gleichstellungspolitischen Belangen ist seit den 2000ern auf allen Ebenen der Vergabe – selbst auf jenen, wo im Verfahren keine Prüfung erfolgt – gestattet. Die Möglichkeiten könnten somit kaum weiter gefasst sein. Herausforderung sind jedoch die vergaberechtlichen Prinzipien der Sachgegenständlichkeit, Verhältnismäßigkeit und Nicht-Diskriminierung. Diese Prinzipien sind nicht so einfach zu überwinden. Da der Gesetzgeber jedoch auch in seinen Erläuterungen zum Gesetz unterstreicht, dass Kriterien der Gleichstellung, zur Frauenförderung etc. Anwendung finden können und auf verschiedene Auslegungshilfen zur sozialen Beschaffung verweist, regt er aktiv zur Nutzung der zur Verfügung stehenden Instrumente an. Er schafft Bewusstsein und beseitigt Rechtsunsicherheiten.

Abschließend gilt es anzumerken, dass verschiedene europäische und nationale Einrichtungen und Institutionen mittlerweile Leitfäden und Checklisten zur Berücksichtigung von Kriterien der Frauen- und Gleichstellungsförderung in der öffentlichen Auftragsvergabe erlassen haben (vgl. die Checkliste von EIGE oder den Leitfaden von SALAR).Nicht zuletzt hat sich dafür sogar ein eigener Terminus Technicus durchgesetzt: Gender Procurement oder gender-sensitive procurement.

Weitere Information zum Vergaberechtsreformgesetz 2018 finden Sie auf der Parlamentswebseite.

 

 

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